ADAC Truck Symposium 2024 Mega-Herausforderung klimafreundliche Logistik

ADAC Truck Symposium 2024 Foto: Markus Bauer 7 Bilder

Im Vorfeld das Truck-Grand-Prix hält der ADAC auch 2024 sein Truck Symposium ab. Thema diesmal: Die klimafreundliche Logistik zwischen Markt und Technik.

„Für die Transport- und Logistikbranche gibt es so viele Herausforderungen wie noch nie. Der Klimaschutz ist dabei ganz essenziell und ich freue mich, dass wir so viele hochkarätige Referenten vor Ort haben“, ordnet Rudi Speich, Vorsitzender des ADAC Mittelrhein, gleich zu Beginn der Veranstaltung ein. Doch die Herausforderungen kommen nicht nur aus der rein technischen Transformation. Einerseits sind beispielsweise die Mehrkosten eines alternativ angetriebenen Nutzfahrzeugs ungleich höher als im Pkw-Bereich, andererseits fordern entsprechende Lösungen im gewerblichen Verkehr auch außerhalb des Fahrzeugs enorme Anstrengungen.

Mauterhöhung: Große Belastung für die Branche, kaum Widerhall beim Verbraucher

Entsprechend lange wird die Transformation also noch dauern. Doch die Branche ist bereits jetzt massiv unter Druck. Dazu stellt Prof. Dr. phil. Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn die Mauterhöhung aus dem vergangenen Dezember nochmals im Detail vor. Unterm Strich steigt diese, so Lohre, um gut 83 Prozent. Die Steigerung ergebe sich vollständig aus dem „Verursacher-Teil“. Wer also nach wie vor mit einem Diesel unterwegs ist, wird massiv bestraft. So übersteigt in Lohres Rechenbeispiel die neu eingeführte CO2-Abgabe – hier 15,8 ct – den reinen „Nutzer-Teil“ sogar noch, der bisher den Löwenanteil ausgemacht hat. Ein tragender Punkt in der Rechnung, vielmehr in der Öffentlichkeitswirksamkeit: Für den Transporteur schmälert die neue Maut in einem weiteren Rechenbeispiel die Rendite um knapp neun Prozent. Doch je höher der Wert der Ladung ist, umso geringer wiegt die Maut für den Endverbraucher und kommt so gedanklich kaum außerhalb der betroffenen Branche an. Die Auswirkung einer umgelegten Maut liege bei teuren Waren bei wenigen Cent.

Die weiteren Impulsvorträge nehmen diesen Kostenfaktor größtenteils auf. Dr. Michael Nutto von PTV Logistics demonstrierte, wie man per Software die CO2-Emissionen der Flotte exakt ermittelt. Zudem lassen sich so auch BEV-Routen exakt planen. So werde auch die Frage beantwortet, ob der Lkw die Tour schafft, oder ob und wann er zwischenladen muss.

Auch abseits der Fahrzeuge große Veränderungen nötig

Denis Bischof von den Stadtwerken Bonn legt dar, wie sich die Transformation auf den Linienbusverkehr auswirkt. So müsse man bei Elektrobussen nicht nur von einem zwei- bis dreifachen Anschaffungspreis ausgehen, sondern auch die Kosten einer Austauschbatterie einplanen, um den Bus über den geplanten Abschaffungszeitraum von zwölf Jahren zu nutzen. Auch die Betriebsinfrastruktur müsse komplett neu gedacht werden, was zusätzliche Kosten verursache. Immerhin sei man bei der Stromversorgung in einer glücklichen Lage, was aber sicher nicht für alle Betreiber gelte.

Neben elektrischen Alternativen spielen auch die Brennstoffzelle und der klimafreundlichere Dieselersatz HVO eine Rolle beim Symposium. Während erstere aktuell noch teurer ist als batterieelektrische Fahrzeuge, von der Versorgung mit Wasserstoff ganz zu schweigen, könnte HVO schon jetzt einen Teil der Dieselflotte deutlich klimafreundlicher gestalten. Auch HVO deckt noch nicht die komplette Masse ab wie regulärer Diesel, doch Marco Lietz von Neste Germany sendet in seinem Vortrag deutlich positivere Signale zur Verfügbarkeit als bei Wasserstoff.

Engelhardt: Beim aktuellen Strommix produziert BEV soviel CO2 wie Diesel

Ein denkwürdiger Einwurf kommt vom Host Prof. Dr. Dirk Engelhardt, BGL. Er rechnet in Kürze vor, dass ein sparsamer aktueller Diesel-Lkw angesichts des aktuellen deutschen Strommixes unter dem großen Strich einen vergleichbaren CO2-Ausstoß aufweist wie ein BEV-Lkw. Hier müsse man sich, die Politik voraus, in der Diskussion ehrlich machen.

Insgesamt fällt der Tenor der Experten recht plakativ aus: Hört auf die Wirtschaft und die Wissenschaft. Dabei müsse die Politik weiterhin intensiv begleiten und die nötigen Schritte fördern – unbürokratisch, langfristig und technologieoffen. Klar sei auch, dass sich die Politik beim Ausbau der Ladenetze und Wasserstofftankanlagen entlang der Fernverkehrsstrecken stärker als bisher engagieren müsse, wenn die hochgesteckten Klimaziele im Straßengüterverkehr bis 2030 erreicht werden sollen.

Anreize für Investoren schaffen und der Branche Spielraum für Investitionen lassen

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Kosten. Hier müssen Anreize für private Investoren geschaffen werden und insgesamt bessere Marktbedingungen. Die Transformation sei politisch gewünscht. Dafür seien aber Investitionen zwingend nötig. Eine gleichzeitige Mauterhöhung schmälere aber den finanziellen Spielraum der Unternehmen.

„Bei den Klimakonferenzen in Paris und New York standen die Themen Klimaschutz und Infrastruktur auf der Agenda. Jetzt müssen alle liefern und die Transformation angehen. Dazu müssen wir offen miteinander umgehen. Das ist die Waffe der Wahl und deshalb sind Veranstaltungen wie diese sehr wichtig“, betont Staatsekretär Andy Becht.

Als Ergebnis der Veranstaltung haben die Experten sechs Empfehlungen für die Transport- und Logistikbranche festgehalten, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen.

1. Mauterhöhung pausieren lassen!

Zum 1.12.2023 wurden die Maut CO2-Emissionsklassen als neues Tarifmerkmal eingeführt und zugleich wurde diese Abgabe auf Lkw ab 3,5 t zul. Gesamtmasse erweitert. Im Rahmen der Lkw-Maut wird nun ein CO2-Aufschlag pro Tonne CO2 erhoben. Damit beabsichtigt die Politik, eine Lenkungswirkung im Transportmarkt zu erreichen – weg von Diesel-Lkw, hin zu mautbefreiten batterieelektrischen und Brennstoffzellen-Lkw, die bis Ende 2025 vom CO2-Aufschlag freigestellt sind.

Gleichzeitig befindet sich die Fahrzeugindustrie jedoch bestenfalls am Produktionsstart von emissionslosen Lkw – es gibt schlicht noch kein quantitativ ernstzunehmendes Angebot an emissionslosen Nutzfahrzeugen, auf das Fuhrunternehmer zugreifen können. Die gedachte Lenkungswirkung verpufft also, die CO2-Maut wirkt nur als eine Mauterhöhung, der der Unternehmer nicht ausweichen kann.

Hinzu kommt, dass der Anteil des Verkehrsetats, der durch die Maut bestritten wird, immer weitere ansteigt und sie nicht einmal insgesamt in den Verkehrsetat fließt, sondern ein nicht unerheblicher Anteil für allgemeine Zwecke missbraucht wird. De facto steht für die Politik also – entgegen den Versprechungen bei Einführung – die Maut als allgemeine Einnahmequelle im Vordergrund, nicht mehr das Generieren zusätzlicher Mittel für die Straßeninfrastruktur oder eine geeignete Lenkungswirkung.

Notwendig ist es daher, diesen Baustein der Lkw-Maut auszusetzen, bis genügend Lkw mit emissionslosem Antrieb auf dem Markt verfügbar sind. Zugleich ist die CO2-Mautbefreiung für emissionslose Lkw bis Ende 2025 zu kurz gegriffen, da sich bis dahin die Marktsituation nicht entspannt haben wird.

2. Schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur für batteriegetriebene und Wasserstoff-Lkw!

Zusätzlich zum batterieelektrischen Antrieb wird die Wasserstofftechnologie für Nutzfahrzeuge immer wichtiger, sowohl per Brennstoffzelle als auch als Wasserstoff-Verbrenner-Motor.

Parallel zum Anlaufen der Fahrzeugproduktion von batteriegetriebenen und Wasserstoff-Lkw muss daher das Ladenetz mit Schnellladesystemen (400 kW und mehr) bzw. Wasserstofftankstellen in der Fläche beschleunigt auf- und ausgebaut werden, damit Unternehmen mit derartigen Fahrzeugen in ihrer Flotte überhaupt ihre Transportaufgaben bewältigen können.

Dazu gehört auch, das diesbezügliche Planungsrecht zu verschlanken und die bauverzögernde bzw. -erschwerende Genehmigungsbürokratie auf das Nötigste zu reduzieren. Nur so kann das Ziel, die Emissionen im Verkehr bis 2030 gegenüber 1990 um 48 % zu reduzieren, überhaupt erreicht werden. Erst wenn ausreichende Ladeinfrastruktur absehbar ist, reicht die Planungssicherheit für Unternehmen aus.

3. Nicht nur die Anschaffung von emissionslosen Lkw, sondern auch die Umrüstung der Betriebshöfe und -abläufe muss finanziell gefördert werden!

Gerade in der aktuellen Anfangszeit sind batterieelektrische und Brennstoffzellen-Lkw aufgrund der noch geringen Produktionszahlen ein Vielfaches teurer als Diesel-Lkw. Irgendwann wird voraussichtlich bei den Anschaffungspreisen für Null-Emissions-Lkw eine Kostenparität zu Diesel-Lkw gegeben sein.

Bis dahin muss die Fahrzeugbeschaffung finanziell weiter wie bisher gefördert bzw. die Mehrkosten kompensiert werden. Pläne, die Förderung von emissionsfreien Fahrzeugen einzustellen, stehen dem Bestreben, den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten, kontraproduktiv gegenüber. Auch Betriebshöfe lassen sich nicht von heute auf morgen auf E-Mobilität umrüsten, zumal hier oft auch (bau)planungsrechtliche Belange berührt sind. Auch dieser Teil der Umstellung benötigt Zeit und kostet erhebliche Investitionsmittel. Ohne staatliche Förderung auch bei der Umrüstung der Betriebshöfe und der Ausbildung der Mitarbeiter (E-Mechatroniker) sowie der Weiterentwicklung von Fuhrparkmanagementsystemen wird sich die E-Mobilität im Güterkraftverkehr nicht oder nur sehr langsam umsetzen lassen.

Darüber hinaus sind Investitionen in Betriebsabläufe erforderlich, insbesondere in auf neue Antriebsarten abgestimmte Tourenplanungen einschließlich entsprechender komplexer Software. Gerade für kleine Unternehmen, die auch als Subunternehmer unverzichtbar sind, ist dies schwer zu stemmen, nicht nur in der Beschaffung, sondern auch in der Personalqualifizierung.

Hier dürfen politische Wünsche nicht bedenkenlos auf Kosten der Branche vorgegeben werden, zumal angesichts des derzeitigen Strom-Mixes in Deutschland die CO2-Emissionen Diesel-betriebener und batterie-elektrischer Fahrzeuge pro kWh in etwa gleich sind. Die schlechtere Ökobilanz der Fahrzeugherstellung bei Batterie-elektrischen Fahrzeugen noch nicht eingerechnet.

4. Staubedingte CO2-Emissionen in der Transportlogistik weiter reduzieren!

Stauverkehre sind ein richtiger Emissions-Hotspot! Länder und Kommunen haben es schon jetzt in der Hand mitzuhelfen, Emissionen durch verkehrssteuernde Maßnahmen zumindest innerstädtisch weiter zu reduzieren.

Nachtbelieferung mit geräuscharmen Fahrzeugen in der innerstädtischen Transportlogistik, Einführung von Mikro-Hubs in Städten und verstärkte Einrichtung von Ladezonen helfen, den innerstädtischen Verkehr zu entlasten und damit Emissionen einzusparen. Durch erleichterte Zulieferregelungen für E-Fahrzeuge (24 Stunden Lieferzeit) können Kommunen zudem zusätzliche Anreize bieten, auf emissionslose Fahrzeuge umzusteigen. Im Fernverkehr ist (neben dem Umstieg auf E-Fahrzeuge) eine verbesserte Verkehrs- und Baustellenleitung ein Ansatz, um emissionsfördernde Staus zu vermeiden. Hier kann auch der Ausbau der Car2Car-Kommunikation bzw. Car2X-Kommunikation den Verkehr flüssiger halten.

5. Investitionen in die Straßeninfrastruktur dienen auch dem Umweltschutz!

Beständige Investitionen in die Infrastruktur ermöglichen einen flüssigen und stauarmen Straßengüterverkehr und verhindern so vermeidbare, zusätzliche Emissionen. Marode Straßenabschnitte und Brücken führen dazu, dass der Verkehr weiträumig, oft für mehrere Jahre umgeleitet werden muss. Längere Fahrstrecken auf teils überlasteten Nebenstrecken mit zu geringer Kapazität erhöhen die Belastungen für Umwelt und Anwohner.

Rechtzeitige Planung und Durchführung, vor allem aber ausreichende Finanzierung von anstehenden Instandsetzungen oder Ersatzbauten mindern die Verkehrsbelastungen, vermeiden zusätzliche Emissionen und dienen daher ebenfalls dem Umweltschutz.

6. HVO leistet einen signifikanten Klimaschutzbeitrag. Das ist auch im Rahmen der LKW-Mauterhebung zu berücksichtigen!

Über den Lebenszyklus betrachtet, entsteht bei HVO-Treibstoffen aus Pflanzenöl gegenüber herkömmlichem Mineralöl-Diesel 90 % weniger Emissionen, da die bei der Verbrennung freigesetzten CO2-Emissionen der Menge entsprechen, die die erneuerbaren Rohstoffe zuvor aufgenommen haben.

HVO 100 ist kompatibel zu allen Dieselmotoren und der bestehenden Dieselinfrastruktur. Für diesen Kraftstoff bedarf es also keinerlei Investitionen in die Motoren- und Tankstellentechnik, so dass er auch von daher nachhaltig und umweltfreundlich ist. Auch die Bahn stellt derzeit im Rahmen ihrer Ökologisierung verstärkt auf HVO um.

Hinreichend große Mengen HVO sind marktverfügbar, um einen relevanten Klimaschutzbeitrag im Straßenverkehr zu leisten – als umweltfreundliche Übergangsalternative für einen sofortigen Klimaschutz-Beitrag innerhalb der Bestandsflotte, bis Elektro- und Brennstoffzellen-Lkw in ausreichender Menge auf dem Markt verfügbar sind.

Mit einem verbesserten Angebot würde sich der noch relativ leicht erhöhte Preis je Liter HVO dem des bisherigen Dieseltreibstoffes weiter angleichen.

Wenn die Politik es mit der Lenkungswirkung der LKW-Maut hin zur Reduzierung von CO2-Emissionen ernst meint, muss sie HVO als ökologischen Beitrag im Rahmen der Mauterhebung berücksichtigen!

Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Götz Bopp, unser Experte für Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Lenk- und Ruhezeiten) Götz Bopp Sozialvorschriften und Güterverkehr
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