Deutschlandfahrt historischer Nutzfahrzeuge Die Oldtimerszene macht mobil

Deutschlandfahrt historischer Nutzfahrzeuge, die Anfänge, Rückblick D-Fahrt FF 7+8-2024 und Booklet 2024, Oldtimer, Veteranen, Tour Foto: Fehrenkötter 15 Bilder

In den 80er-Jahren blüht die Lkw-Oldtimerszene auf. Man rettet die letzten Nachkriegshauber vor der Verschrottung und präsentiert sie auf Treffen mit Gleichgesinnten – bis ein westfälischer Spediteur buchstäblich Bewegung in die Szene bringt.

Ende der 70er-Jahre entstehen im geteilten Deutschland, analog zu den Trucker- und Country-Festivals und zur Supertruck-Szene, die ersten Nutzfahrzeugveteranentreffen. Die Anfänge sind überschaubar – und alte Lastwagen stehen nicht einmal im Mittelpunkt, sondern gewaltige Dampfmaschinen, Lokomobile und Traktoren. "Ich bin 1978 aufgrund einer Zeitungsannonce im Teutoburger Wald gelandet, bei einem Steam-Festival, das Dr. Peter Borstel nach britischem Vorbild in Deutschland etablieren wollte", erinnert sich Heinz-Bruno Hecker an den Auftakt des späteren Steam- und Truck-Festivals Bad Laer. "Dort standen zwei alte Lkw – und ich dachte mir, da muss ein Krupp Titan her!" Gesagt, getan – so wird Steinbruchunternehmer Hecker zum Lkw- und Bus-Oldtimer-Sammler.

Das nächste Steam-Festival ist für 1980 angesetzt, doch schon 1979 organisiert Borstel eine Lkw-Sternfahrt. Auch Joachim Fehrenkötter ist er in Erinnerung geblieben: "Borstel war der Dreh- und Angelpunkt der Szene. Er war eigentlich Lehrer, aber sein Vater hatte bei Homann-Margarine in Dissen gearbeitet – und Homann hatte Büssing und Vomag im Fuhrpark, daher Borstels Faible."

Eines Tages fragt Borstel beim Sassenberger Spediteur Robert Fehrenkötter an, ob er einen alten Büssing für ihn transportieren könne. "Den haben wir erstmal zu uns auf den Hof geholt. Mein Vater war hin und weg, dass sich noch jemand für Büssing begeisterte!", erzählt Joachim. Denn Robert Fehrenkötter absolvierte Ende der 50er-Jahre seine Lehre bei der Büssing- Vertretung Stahmer & Compagnie in Osnabrück, bevor er 1961 ins väterliche Transportunternehmen eintrat und es 1969 übernahm. Die Zuneigung zur Marke mit dem Burglöwen blieb, davon zeugt eine wachsende Büssing-Sammlung.

Überschaubare Anfänge

Ab sofort reisen auch Vater und Sohn Fehrenkötter zu den Treffen. Die Szene ist noch so überschaubar, dass man jedes Auto kennt. Und es gibt noch keinen Markt für Lkw-Oldtimer und ihre Ersatzteile. Joachim: "Damals hat man alles vom Schrott zum Schrottpreis gekauft. Einen ausrangierten Lastwagen konnte man auch nicht einfach stehen lassen, um ihn irgendwann zu restaurieren – der Verkauf war ja ein Teil des Gewinns."

1982 treffen sie auf einem Oldtimer-Festival in Hilversum auf den Lkw-begeisterten Grafikdesigner Steve Schmidt, der später die Zeitschrift Last & Kraft gründet: "Da waren Robert und Joachim mit dem Büssing 8000, Heinz-Bruno mit einer zum Wohnmobil umgebauten Feuerwehr und auch Emil Bölling", erinnert sich Steve. Bauunternehmer Bölling ist damals der erste Großsammler und etabliert ein Oldtimer-Treffen in Castrop-Rauxel. Dort präsentiert zwei Jahre später ein gewisser Helmut Hoffmann sein erstes Restaurationsprojekt, einen Büssing 7500 S. Auch er war bei Büssing, bei Spieker in Dortmund, in der Lehre und macht sich ab den 90er-Jahren, parallel zum Transportunternehmen der Familie, mit Auftragsarbeiten für Museen und Sammler einen Namen.

"Die Autos müssen fahren!"

Des bloßen Hinfahrens und Hinstellens bei den Veteranentreffen ist Robert Fehrenkötter zunehmend überdrüssig. "Die Autos müssen fahren", lautet seine Devise. Mit Gleichgesinnten erstellt er ein Konzept, das die Oldtimer nicht mehr zur Kulisse macht, sondern sie in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig zu Botschaftern des Straßengüterverkehrs macht: die "Deutschland-Fahrt für historische Nutzfahrzeuge". Auf einer vorab festgelegten und beworbenen Route sollen die Teilnehmer mit ihren Oldtimern auf mehreren Etappen durch Westdeutschland fahren. Jeden Tag hält man Einzug in einer anderen Stadt und zelebriert dort öffentlichkeitswirksam die Leidenschaft fürs Nutzfahrzeug in seiner ursprünglichen Form. Eine gründliche Tourenplanung und die Unterstützung durch Partner vor Ort – ob Hersteller, Händler, Werkstätten, Spediteure oder Kommunen – sind unerlässlich.

Frühe Unterstützer dieses Konzepts sind neben Robert und Joachim Fehrenkötter, Steve Schmidt, Heinz-Bruno Hecker, Helmut Hoffmann und Emil Bölling auch Bernard Krone (Agrartechnik- und Nfz-Hersteller), Theo Mühlenbein (Krupp-Sammler), August Alborn (Schwertransportunternehmer) und Hans Witteler (Lkw-Händler, Initiator Oldtimer-Sauerlandrundfahrt).

Auftakt 1987 in Eschwege

Die erste Deutschland-Fahrt ist für den 18. bis 25. September 1987 angesetzt. In Eschwege rollen 20 Lkw-Oldtimer an den Start, von dort geht es über Fulda, Passau, München, Salem am Bodensee und Stuttgart zum 1981 eröffneten Technik-Museum in Sinsheim.

Die Deutschland-Fahrt ist so ein großer Erfolg, dass sie im September 1989 wiederholt wird. Erneut gibt es vorab ein ausführliches Programmheft, das über die Route, über die Teilnehmer und ihre Fahrzeuge informiert. Dass Bundesverkehrsminister Friedrich Zimmermann und Klemens Weber, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF), Grußworte beisteuern, zeugt von der Reputation, die sich diese Veranstaltung in kurzer Zeit erworben hat. Und natürlich von der guten Vernetzung ihrer Initiatoren.

Die Strecke führt diesmal in den Norden der Bundesrepublik: von Kaarst über Köln, Bonn, Brilon, Sassenberg, Oldenburg, Flensburg, Kiel, Hamburg, Lüneburg und Soltau bis nach Mellendorf. Sieben Tage sind dafür veranschlagt, das Programm liest sich ebenso kurzweilig wie gesellig: westfälisches Abendessen und bayerischer Frühschoppen bei Fehrenkötter in Sassenberg, Zwischenstopp bei Krone in Werlte, Stadtkorso durch Bremerhaven, Schiffsreise nach Helgoland, Hafenrundfahrt in Kiel und Abschlussfeier mit Siegerehrung am DKV-Autohof Mellendorf. 30 Lkw listet die Broschüre auf, der älteste ist ein Mercedes-Benz LO 2000 mit Baujahr 1932.

Tour der Deutschen Einheit

Bald darauf überschlagen sich die politischen Ereignisse: Mauerfall, Deutsche Einheit, neue Bundesländer, endlich wieder eine ungeteilte Nation! Da versteht es sich von selbst, dass die dritte Deutschland-Fahrt als "Tour der Deutschen Einheit" in die wiedergewonnene Mitte und den Osten Deutschlands führt.

36 Lastwagen machen sich am 11. September 1992 in Dortmund auf den Weg nach Magdeburg, Berlin, Dresden, Lößnitz, Plauen und weiter über Weiden, Landshut, Ulm, Würzburg und Fulda nach Kassel. Robert Fehrenkötter hat wieder die Gesamtleitung inne, seine Frau Ursula schreibt das Roadbook und ist einmal mehr die "Mutter der Kompanie". Joachim Fehrenkötter, der sowohl das Transportunternehmen als auch die Organisation der Deutschland-Fahrt eines Tages übernehmen wird, ist wieder mit seinem blauen Büssing 6000 S mit dem langen Fahrerhaus und mit seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Sandra am Start. Auch an jeder weiteren Deutschland-Fahrt wird er mit dem 6000 S teilnehmen.

Nächster Halt: Europa

Auf die Wiedervereinigung folgt die europäische Integration: Im Jahr 1995 führt die vierte Deutschlandfahrt (nun ohne Bindestrich geschrieben) durch Frankreich, Luxemburg und Belgien in die Niederlande. "Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, daß es eine vierte wie auch eine fünfte und sechste Deutschlandfahrt für historische Nutzfahrzeuge geben muß", schreibt Robert Fehrenkötter ins Programmheft.

Aus der Oldtimerszene ist die Deutschlandfahrt nicht mehr wegzudenken. 1996 findet sie im Stuttgarter ETM Verlag einen neuen Partner für Organisation wie auch Dokumentation. Ihre Touren führen nach Norditalien, nach London, durch Frankreich und sogar nach Skandinavien.

Eine große Familie

Jüngere Fahrer- und Fahrzeuggenerationen treten auf den Plan, die Oldtimer-Zahl steigt auf über 70, meist mit Doppelbesatzung. Aus den Lkw-begeisterten Männern und Frauen wird eine große Familie, die alle zwei Jahre im September unter jeweils neuem Motto auf große Fahrt geht. 2024 ist sie als "Tour der Legenden" den Deutschlandfahrern der ersten Stunde gewidmet.

ETM Foto: ETM
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