Das Risk-Management der Versicherungen kann Fahrer dafür sensibilisieren, weniger Schäden zu verursachen. Es kann im Einzelfall aber auch ihre Existenz aufs Spiel setzen.
Seit 18 Jahren arbeitet Peter Vetter (Name geändert) bei einer Spedition aus Nordbayern. Er ist 61 Jahre alt und eher gutmütig, das heißt, er kann schlecht Nein sagen. Nun hat er in einem Jahr zwei hohe Schäden an seinem Lkw gehabt, einen Auffahrunfall im innerstädtischen Stau, der rechtlich noch nicht geklärt ist, und einen Rangierschaden, den er gegenüber FERNFAHRER darauf zurückführt, dass es auf Weisung der Dispo mal wieder schnell schnell gehen musste.
Hektik ist ein großes Übel des Transportwesens. Doch wird sie in den Kursen des Riskmanagements, wie im FERNFAHRER 10/2018 thematisiert, eher selten berücksichtigt. Aber es geht darum, den Fahrer dafür zu sensibilisieren, fortan durch bessere Um- und Vorsicht keine Schäden mehr zu verursachen. Schließlich soll in Zeiten des Fahrermangels eigentlich die Arbeitskraft erhalten bleiben. Und so machte sich Peter keine großen Gedanken, als er sich am Samstagmorgen nur zu einem reinen Gespräch mit dem Riskmanager eines Versicherungsmaklers treffen sollte. Peter war in der Nacht von der Tour gekommen und hatte lediglich drei Stunden im Lkw geschlafen.
Doch nun sollte er eine nicht angekündigte Beobachtungsfahrt durch das nahe Industriegebiet machen. Er hätte Nein sagen sollen, ja sogar sagen müssen, wenn er sich nicht fit fühlte. Stattdessen legte er unter Beobachtung des beauftragten Fahrlehrers seine Fahrerkarte wieder ein und fuhr eine Runde. Die Bewertung dieser Fahrt war katastrophal. Peter willigte zu allem Übel auch noch ein, dass sein Chef das Protokoll an die Führerscheinstelle weitergeben durfte.
Einwilligung mit Folgen
Nun muss er eine Begutachtungsfahrt mit einem Sachverständigen absolvieren – auf eigene Kosten. Peter, durch den ganzen Vorgang nervlich bereits belastet, fürchtet um seine Existenz, sollte er dadurch den Führerschein verlieren. Zudem steht sein Verdacht im Raum, dass das Unternehmen ihn, den älteren Fahrer, der gerade eine Krebserkrankung überstanden hat, auf diese Weise loswerden will.
Das Problem: „Weigert sich der Fahrer, diese Fahrt zu absolvieren, wird die Behörde die Fahrerlaubnis entziehen, wenn aus Behördensicht Eignungszweifel bestehen können“, sagt Rechtsanwalt Pfitzenmaier. Grundsätzlich gilt: „Wenn ein begründeter Verdacht auf Nichteignung besteht, kann der Unternehmer rein arbeitsrechtlich eine Überprüfung anordnen. Strafrechtlich, aus dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschuldens heraus, wird er hierzu zur Vermeidung der eigenen Haftung sogar verpflichtet sein.“
Verweigerung wäre möglich gewesen
Allerdings sollte der Fahrer für eine solche Fahrt wirklich fit sein – sonst kann er sie verweigern. Rein arbeitsrechtlich hat der beauftragte Fahrlehrer keine Weisungsbefugnis, diese Fahrt anzuordnen;- er darf im Rahmen der Fahrbeobachtung etwa die Strecke aussuchen. „Er muss allerdings im gleichen Umfang wie der anordnende Unternehmer sicherstellen, dass der Fahrer nicht gegen die Sozialvorschriften verstößt, und nachfragen, ob der Fahrer sich fit fühlt.“ Der Riskmanager darf danach das Protokoll nur dem Arbeitgeber aushändigen, dieser wiederum darf es an die Führerscheinstelle weitergeben, wenn sich daraus Bedenken hinsichtlich der Fahreignung des Fahrers ergeben.
Die rechtlichen Möglichkeiten des Fahrers gegenüber seinem Arbeitgeber sind beschränkt. Wenn er die Begutachtungsfahrt mit einem Sachverständigen aber ohne Probleme bewältigt und die vorherige Beobachtungsfahrt aus nachweisbarer Willkür des Arbeitgebers erfolgt ist, dann kann er eventuell Schadensersatz, also etwa den Ersatz der Kosten für Maßnahmen der Führerscheinstelle, geltend machen. Nach Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe wurde bekannt, dass Peter Vetter seine Begutachtungsfahrt ohne Probleme bestanden hat.