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Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof Es herrscht Nachholbedarf beim Laden

Foto: Karl-Heinz Augustin

Ladesäule statt Betriebstankstelle? Das sind die Erfahrungen der Unternehmen aus der Praxis. Fakt ist: Einige Fragen sind noch ungeklärt.

Bis zum Jahr 2030 soll ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erbracht werden. Dazu braucht es auch einen Hochlauf der Ladeinfrastruktur. Neben einem öffentlichen Ladenetz, für das der Masterplan Ladeinfrastruktur II des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) schnell sorgen soll, wird es nicht ohne privatwirtschaftliches Engagement gehen.

Öffentliche Infrastruktur als Engpass

„Die geplanten Schnell-Ladepunkte an den Autobahnen werden vorerst nur Tropfen auf den heißen Stein sein – es steht zu befürchten, dass die öffentliche Infrastruktur in Zukunft ein Engpass sein wird, sowohl auf Autobahnen als auch bei den Stromzuleitungen für die Depots, die aktuell unterdimensioniert sind“, sagt Prof. Dr. Dirk Lohre vom Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL) der Hochschule Heilbronn.

Zahlreiche Fragen noch offen

Laut Lohre gibt es rund um das Thema Laden noch viele operative Probleme, die gelöst werden müssen: Wie muss disponiert werden, wenn der Lkw aufgrund seiner geringeren Reichweite regelmäßig einen Ladepunkt anfahren muss? Wie funktioniert paralleles Laden, etwa an Depots? Sorgen Verlader künftig für Lademöglichkeiten und wie funktioniert die Abrechnung? Welchen Einfluss hat das Thema Witterung auf das Laden? Auch gebe es rechtliche Hürden, wie das Auftreten als Stromlieferant bei Laden von Transportunternehmern, oder auch die Frage von Gefahrgut auf der Halle und Ladesäule vor der Halle.

Mit diesen Fragen hat sich Rainer Schmitt schon beschäftigt, denn für den geschäftsführenden Gesellschafter von Logistik Schmitt aus dem badischen Bietigheim ist das Thema E-Lkw kein Neuland. 2019 nahm der Betrieb als eines der ersten Unternehmen einen eActros in Empfang, der anschließend im Probebetrieb zwischen dem Schmitt-Logistikzentrum Ötigheim und dem Daimler-Werk Gaggenau unterwegs war. Zum Aufladen bediente sich das Unternehmen damals noch einer rund 300 Kilogramm schweren mobilen Ladestation, die eine Leistung von 80 kW bot.

Logistik Schmitt: langjährige Erfahrung mit eActros

Seit 2021 ist das Unternehmen aber mit dem neuen serienmäßigen eActros mit einer Ladeleistung bis zu 160 kW unterwegs, auch ein Volvo FH Electric mit 250 kW gehört bald zur Flotte, und für 2023 sind laut Rainer Schmitt drei weitere E-Zugmaschinen eingeplant. Schmitt ist also bestens auf die neue Ära im Güterverkehr eingestellt. Seine Begeisterung nimmt aber eher ab, wenn das Thema Laden zur Sprache kommt. Vor allem die Kosten stoßen dem Unternehmer sauer auf.

Aber ein Schritt nach dem anderen: „Das Thema E-Lkw sollte man gut durchdenken – habe ich den Kunden und den Auftrag für das Fahrzeug?“, sagt Schmitt. Bei einem E-Lkw müsse man sich darauf einstellen, den Transport wie mit einem Busfahrplan durchzuführen - und das gehe nur zusammen mit dem Kunden. Denn die Touren müssen auch im Hinblick auf die Lademöglichkeiten disponiert werden.

300 kW sind schon nötig

Wie hoch ist die notwendige Stromleistung für einen E-Lkw? „Um alles abzudecken, ist man schon mit 150 kW zu schwach aufgestellt, es braucht mindestens 300 kW für eine Ladezeit bis zu einer Stunde. Und der Trend geht hin zu bis 600 kW“, sagt der Unternehmer. Wer nicht beim Kunden laden könne, sondern auf schnelles Laden auf dem Betriebshof angewiesen sei, müsse mindestens 300 kW einplanen. Am Abend beziehungsweise über Nacht sollte dann möglichst langsam und damit batterieschonend geladen wird – diese zwei unterschiedliche Lademimiken sollte man laut Schmitt einplanen, wobei dies bei den Ladesäulen mit der entsprechenden Software kein Problem sei.

Wer sich die Anschaffung von Fahrzeug plus Infrastruktur überlegt, kann die Förderung des BMDV in Anspruch nehmen (siehe Kasten), derzeit sind für 2023 noch keine Termine für weitere Förderaufrufe bekannt. 80 Prozent Förderquote stellt das Programm in Aussicht, was bei den hohen Kosten mehr als hilfreich ist.

Das kann auch Unternehmer Schmitt unterschreiben: Am neuen Standort in Germersheim, der im Januar in Betrieb ging, waren demnach zwei Ladesäulen mit einer Leistung von 600 kW geplant. Die Bedingungen sahen laut Schmitt in der Planungsphase gut aus: Nebenan ist ein Industriebetrieb mit größerem Strombedarf und Trafostation.

Trafo zu weit von Ladestation entfernt

Das reicht aber nicht aus. Wie er lernen musste, darf die Ladestation maximal 200 Meter vom Trafo entfernt sein, da ansonsten der Leistungsverlust zu groß wird. Schmitt musste also ein weiteres Trafohäuschen auf dem eigenen Gelände bauen und zudem mehr Kabel-Meter verlegen lassen als geplant – die Kosten beliefen sich, inklusive Infrastrukturzuschuss, der sich nach der Höhe der für die Ladesäule benötigten kW richtet, auf einen mittleren sechsstelligen Betrag. Um einiges kleiner ist die Infrastruktur an den Standorten in Bietigheim und Ötigheim – und selbst für diese „Schmalspurvarianten“ beliefen sich die Kosten auf jeweils rund 100.000 Euro.

Großer Planungs- und Bürokratieaufwand

Aktuell ist das Thema E-Lkw daher vor allem etwas für Unternehmen, die nicht nur den Planungs- und Bürokratieaufwand stemmen können, sondern auch die finanziellen Mittel und die Kunden haben, die das Thema forcieren, so Schmitt. So lasse sich die E-Mobilität im Güterverkehr besonders gut bei Shuttleverkehren mit maximal 100 Kilometer Reichweite umsetzen, wenn eine eigene Ladeinfrastruktur oder eine beim Kunden gegeben sei.

Weil aber die öffentliche Ladeinfrastruktur noch nicht flächendeckend zur Verfügung steht, sei dies nicht wirklich ein vernünftiger Business Case, auch wegen der aktuell hohen Strompreise und der Unsicherheit über eine künftige Mautbefreiung. Die Politik müsse dies schnell ändern: „Sonst besteht die Gefahr, dass das Leuchtturmprojekt E-Mobilität stecken bleibt. Eine Nutzung in der Fläche wird es nur geben, wenn es sich für die Unternehmen auch wirtschaftlich rechnet“, sagt der Logistiker.

Die Förderung

  • Das BMDV stellt mit dem Förderprogramm für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur (KsNI) auch rund 4 Milliarden Euro für den Aufbau der entsprechenden Tank- und Ladeinfrastruktur zur Verfügung, gefördert werden zudem Machbarkeitsstudien.
  • Das Programm läuft bis 31. Dezember 2024, die Förderquote für die projektbezogenen Aufgaben beträgt 80 Prozent.
  • Eine alleinige Förderung von Tank- und Ladeinfrastruktur ist nicht möglich.
  • Gefördert werden unter anderem Investitionen in mobile und stationäre Normal- und Schnellladeinfrastruktur, wie Ladepunkt, Transformer, Übergabestation, Herstellung und Erweiterung des Netzanschlusses sowie Pufferspeicher und intelligente Lösungen zur Integration des Pufferspeichers in das Lademanagement am jeweiligen Standort.
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