Lkw-Kontrollen Die Pfingstmontagsfalle

Edwin Atema Foto: Edwin Atema
Meinung

Am Pfingstmontag gab es in Antwerpen eine Großkontrolle der belgischen Polizei zum Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw. Am selben Tag war das BALM in Leipzig aktiv – nennt dazu aber noch keine konkreten Zahlen.

Der Brennpunkt im FERNFAHRER 7-8/2024, der am 20. Juni erscheint, beschreibt am Beispiel zweier Kontrollwochen der Polizei in Deutschland die zum Teil „erschreckenden Ergebnisse“ (so der Titel) in Bezug auf Verstöße gegen die Lenkzeiten und die eklatanten Mängel bei der Ladungssicherung. Auf Grund des Redaktionsschlusses der analogen Ausgabe liefern wir hier in diesem Blog-Beitrag wie angekündigt einige Zahlen und Fakten nach.

So berichtete nun die European Labour Authority (ELA), also die Europäische Arbeitsbehörde, die am 31. Juli 2019 auf Initiative der EU-Kommission als eine europäische Aufsichts- und Umsetzungsbehörde gegründet wurde, von den europäischen Kontrollzahlen anlässlich der Kontrollwoche in Partnerschaft mit ROADPOL, dem European Roads Policing Network, vom 13. bis 19. Mai in elf Mitgliedstaaten. Hier lag der Schwerpunkt bei den Lenk- und Ruhezeiten. Dabei wurden mit 328 Kontrolleuren 555 Fahrzeuge überprüft, 396 Verstöße festgestellt und mehr als 273.000 Euro an Bußgeldern verhängt. Diese Aktionswochen werden laut ELA nun das ganze Jahr 2024 fortgesetzt, um die Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Gewährleistung einer fairen Arbeitsmobilität in der gesamten EU zu stärken.

Nur die Spitze des Eisbergs

„Die Aufgabe der ELA ist unter anderem der Arbeitsschutz von mobilen Arbeitnehmern“, erklärt Hauptkommissar Sven Kilian, der für das Innenministerium in Rheinland-Pfalz als „Tacho-Experte“ ROADPOL auch bei der EU-Kommission in Brüssel vertritt. Im Transportbereich zählen dazu die Arbeitszeiten, die Lenk- und Ruhezeiten, sowie die Entsendebestimmungen aus dem Mobilitätspaket, also etwa der Mindestlohn. Hierzu hat die ELA aber kein eigenes Kontrollpersonal, sondern koordiniert und unterstützt Kontrollen, bringt Kontrollbehörden entweder eines Landes, also in Deutschland das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM), die Polizei, die Gewerbeaufsichtsämter und den Zoll, oder die Kontrollbehörden verschiedener Länder für gemeinsame Kontrollen zusammen, um diese effektiver zu gestalten.

„ELA und ROADPOL sind hierzu, seit ELA existiert, eine Kooperation eingegangen“, sagt Kilian. „Während der jährlichen drei ROADPOL Truck- und Bus-Kontrollwochen unterstützt ELA in den EU-Mitgliedstaaten ausgesuchte Kontrollmaßnahmen durch Koordination, Beteiligung von Kontrollpersonal aus anderen Ländern und Dolmetschern. Den Schwerpunkt hierbei bilden die Lenk- und Ruhezeiten. Natürlich werden vor anderen Verstößen nicht die Augen verschlossen, aber die sind halt nicht in der Meldung von ELA enthalten. Diese Zahlen weichen dann von den europaweiten Gesamtergebnissen der ROADPOL-Aktionswoche ab, da die ELA nur die Zahlen von den konkreten Kontrollmaßnahmen präsentiert, bei denen sie auch unterstützt hat.“ Mit anderen Worten – diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs.

Großkontrolle in Antwerpen

So war die ELA auch bei einer Großkontrolle an Pfingstmontag im Hafen von Antwerpen auf dem Parkplatz Goordijk an der Noorderlaan dabei, lud Gewerkschafter sowie Pressevertreter ein und dokumentierte diese Kontrolle mit Drohnen, wie dieser Filmbeitrag der Polizei Antwerpen eindrucksvoll zeigt. „Wir kontrollieren zum Beispiel die wöchentliche Ruhezeit der Fahrer, aber auch, ob sie ihre lange Ruhezeit nicht in der Fahrerkabine ihres Lkw verbringen. Außerdem sollten die Fahrer alle vier Wochen nach Hause fahren dürfen", erklärte der Arbeitsprüfer Pieter Wyckaert vor Ort gegenüber der Lokalpresse. Neben mehreren in- und ausländischen Sozialinspektoraten nahmen demzufolge auch Justizminister Paul Van Tigchelt (Open Vld) und Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V) an der Aktion teil.

Insgesamt befanden sich 341 Lkw auf dem bekannten Parkplatz. Alle 202 Fahrzeuge, deren Fahrer anwesend waren, wurden überprüft. Das Ergebnis: 135 Fahrer verstießen gegen die Einhaltung der wöchentlichen Ruhezeiten. Sie mussten das Wochenende in ihrem Lkw verbringen, obwohl ihnen ihr Arbeitgeber eigentlich ein Hotel zur Verfügung stellen sollte.

70 Fahrzeuge waren nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, nach acht Wochen ins Heimatland gefahren. 35 Fahrer waren länger als vier Wochen unterwegs. Neun Lkw wurden beschlagnahmt, was nun von der Arbeitsaufsichtsbehörde weiterverfolgt wird. Ziel der Aktion sei gewesen, alle anwesenden Lkw und ihre Fahrer auf Verstöße gegen die Sozialgesetzgebung zu überprüfen. Die Aktion richtete sich also vor allem an die Arbeitgeber. Diese sind zwar theoretisch verpflichtet, über die Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Fahrer zu wachen, die Praxis lässt jedoch oft zu wünschen übrig.

Belgische Bußgelder bestrafen nur den Arbeitgeber

Immer wieder kommt bei diesen Kontrollen in Belgien heraus, dass dort der Halter des Lkw sofort 1.800 Euro bezahlen kann, dann gibt es im Anschluss kein Gerichtsverfahren. Das unterscheidet die Praxis vom deutschen Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Offenbar entscheiden sich die Unternehmer lieber dafür, diese Summe sofort zu bezahlen und den Lkw so schnell wie möglich wieder auf Tour zu schicken.

Aus den Erzählungen einiger Fahrer wird daher das Problem erkennbar, das ich ebenfalls immer wieder beschrieben habe: Die Unternehmer wissen ganz genau, dass die Kontrollen auch in Belgien nicht so konsequent sind, und es natürlich die geforderten Hotels für die Menge der Fahrer aus Osteuropa, die dort teilweise ohne sanitäre Anlagen auskommen müssen, nicht gibt. Andere Fahrer berichten, dass sie das Geld, das sie vom Arbeitgeber bekommen, um sich ein Hotel zu organisieren – was eigentlich nicht ihre Aufgabe ist, lieber in die eigene Tasche stecken.

BALM Foto: BALM
Kontrolle des BALM am Pfingstmontag in Leipzig, beobachtet von Prof. Dirk Engelhardt vom BGL.

BALM und BGL am Pfingstmontag in Leipzig

Bereits in meinem älteren Blog-Beitrag BALM-Sonntag hatte ich ausführlich erklärt, warum das BALM, wie eigentlich auch die belgische Polizei, die Fahrer auf frischer Tat nach der 45. Stunde im Lkw erwischen muss. An Pfingstmontag ist auch in Belgien Feiertag, die Fahrer sitzen also im Prinzip in der Falle.

Auf Instragram hat das BALM, wie im FERNFAHRER 7-8/2024 erwähnt, auf eine gezielte Schwerpunktkontrolle der Außenstelle Dresden an Pfingstmontag zum Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw in Anwesenheit von Prof. Dirk Engelhardt vom BGL hingewiesen. Doch auf meine Nachfrage hin wollte das BALM die Zahlen partout nicht preisgeben, sodass auch der BGL nicht kommentieren kann, wie effektiv sie am Ende war. Wir reichen sie entsprechend nach.

Auch auf der Logistikkonferenz der SPD im April in Berlin wurde immer wieder gefordert, in Deutschland konsequenter zu kontrollieren und die Bußgelder zu erhöhen. Zum „Running Gag“ wird es langsam, dass der Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium, mit dem das Mobilitätspaket nach nunmehr vier Jahren in Deutschland umgesetzt werden soll, immer noch nicht vorliegt.

Immerhin hat das BALM nun die Zahlen der Schwerpunktkontrollen für April veröffentlicht. Dabei war – praktisch für einen Vergleich mit dem Pfingstmontag – auch der Ostermontag. „Im Rahmen der Kontrollaktionen am 1. und 2. April wurden unter Berücksichtigung aller Rechtsgebiete insgesamt 346 Fahrzeuge kontrolliert. Es wurden 337 Fahrzeuge auf die Einhaltung der Regelungen zur Verbringung der regelmäßigen Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs überprüft; gegen das Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug wurden 61 Verstöße festgestellt. Das klingt doch effektiv. Wo diese Schwerpunkkontrollen am Ostermontag stattfanden, will das BALM aber aus „kontrolltaktischen Gründen“ nicht bekanntgeben. Als ob das eine Rolle spielen würde.

Nachtrag (19. Juni 2024)

Mittlerweile hat das BALM auch die Kontrollzahlen für den Mai bekannt gegeben, am 20. Mai, Pfingstmontag, und am 21. Mai wurden demzufolge 250 Fahrzeuge auf die Einhaltung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs überprüft. Es wurden 60 Verstöße im Zusammenhang mit dem Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug festgestellt.

Der BGL wurde nach eigenen Angaben vom BALM eingeladen und im Vorfeld nicht über die Gründe der Auswahl informiert. Zu den durchgeführten Kontrollen selbst hat der Verband keine Beanstandungen. Aus wettbewerbsverzerrender Sicht hält er die Forderung nach höheren Bußgeldern für absolut berechtigt. "Da sind wir auch bei der SPD. Bei alternativen Unterkünften / Containersiedlungen sehen wir allerdings das Problem, dass Fahrer dauerhaft hier stationiert werden. Sinn des Mobilitätspakets ist aber, dass die Fahrer regelmäßig nach Hause kommen. Werden Fahrer hier dauerhaft stationiert, müssen die entsprechenden ausländischen Spedition hier Niederlassungen gründen."

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