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Öffentliches Schnellladenetz Leistung für die Straße​

Einfacher Einstieg in die E-Mobilität: Demonstrations-Ladepark für Elektro-Lkw in Wörth startet in die Bauphase

An easy gateway to electric mobility: Construction phase starts for demonstration electric truck charging park in Wörth Foto: Daimler Truck Global Communicati

Startschuss des Bundes für das öffentliche Lkw-Schnellladenetz. Wie viele Stationen geplant sind, was die Herausforderungen sind.

Unter dem Motto „Power to the Road“ haben die Bundesminister Dr. Volker Wissing (Verkehr) und Dr. Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz) vergangene Woche bei einem offiziellen Termin den Startschuss für das Lkw-Schnellladenetz an den Bundesautobahnen erteilt. Auf der to do-Liste steht zunächst das Thema Netzanschlüsse. Im Laufe des Sommers folgt die Ausschreibung der Ladeinfrastruktur.

Mit den öffentlichen Lademöglichkeiten soll laut dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) der schnelle Markthochlauf von schweren Nutzfahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb ermöglicht und dadurch die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreicht werden.

350 Schnellladestandorte für Lkw

Der geplante Aufbau eines Schnellladenetzes für E-Lkw im Rahmen des Masterplans Ladeinfrastruktur II erfolgt entlang der Bundesautobahnen und beinhaltet 350 ausgewählte bewirtschaftete und unbewirtschaftete Standorte. Diese sollen mit Lkw-tauglicher Schnellladeinfrastruktur ausgerüstet werden.

Für den Aufbau müssen laut BMDV zwei Elemente ineinandergreifen: Der Ausbau des Verteilnetzes, ausgelöst durch Anträge auf Netzanschluss beim Netzbetreiber, und der Aufbau der Ladesäulen. Zur Erfüllung des ersten Punktes arbeitet demnach die Autobahn GmbH bereits an der Prüfung und Umsetzung der erforderlichen Infrastrukturtechnik an den geeigneten Standorten. Für die ersten Standorte seien schon Netzanschlussbestellungen ausgelöst. Die Veröffentlichung der Ausschreibung an den rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen ist dann für den Spätsommer 2024 geplant.

Konferenz zur Ladeinfrastruktur

Schon Tage vor der Verkündigung hatten das BMDV und die bundeseigene NOW GmbH, unter deren Dach auch die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur angesiedelt ist, mit einer eintägigen Veranstaltung das Thema Ladeinfrastruktur quasi eingeläutet. „Wie mit dem Deutschlandticket müssen wir auch bei der Elektromobilität überzeugende Angebote schaffen“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei der Ladeinfrastruktur-Konferenz 2024 (LISKON). Sorgenfrei fahren und schnell laden sei die Devise – das lässt sich sowohl für den Pkw- als auch den Lkw-Bereich ableiten. Zudem betonte Wissing, für eine Verkehrswende brauche es bezahlbare elektrische Fahrzeuge sowie eine flächendeckende und benutzerfreundliche öffentliche Infrastruktur.

Laut Wissing ist vom Masterplan Ladeinfrastruktur II bereits die Hälfte der Maßnahmen umgesetzt – darunter auch eine 150 Millionen-Euro schwere Fortsetzung des Förderprogramms für das Schnellladen, das sich auch an KEP-Unternehmen und Speditionen richte. Ein Schwerpunkt liege jetzt auf der Integration von Lade- und Stromnetz. Beides müsse zusammen gedacht werden. „Notwendig sind bessere Bedingungen und Verfahren für Netzanschlüsse sowie beschleunigte Genehmigungsprozesse“.

Lkw-Schnellladenetz in Deutschland Foto: NOW GmbH
NOW GmbH: Geplantes Schhnellladenetz für Lkw.

Daten aus Lkw-Maut verwendet für die Standortwahl

Der weitere Baustein sei der Ausbau des öffentlichen Netzes für E-Lkw mit insgesamt 4.200 MCS- und CCS-Lademodulen. „Für die Planung wurden unzählige Daten aus der Lkw-Maut genutzt“, berichtete Wissing – auch deshalb seien die anderen europäischen Ländern sehr interessiert an der Vorgehensweise Deutschlands, das beim Ausbau der Ladeinfrastruktur europaweit vorne liege.

Bei der Konferenz berichtete etwa Sebastian Lahmann über die Herausforderungen und Perspektiven beim Lkw-Laden. Er ist Leiter des Teams „Umsetzen“ bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur der NOW GmbH und sprach über die Ziele des Bundes. Bis 2030 rechnet der Bund demnach mit mehr als 29.600 Ladevorgängen von E-Lkw täglich. Geplant sind bis dahin 354 öffentliche Standorte mit 1.800 MCS-Ladepunkten für das schnelle Zwischenladen ab einem Megawatt, etwa in der Lenkzeitpause. „Ideal, um die Fahrt gleich fortzusetzen“, sagte Lahmann.

Das soll, ebenfalls zum Stand 2030, ergänzt werden durch 2.400 CCS-Ladepunkte – einige mit 400 kW zum Zwischenladen sowie als Brückentechnologie, bis das Megawattladen in der Fläche möglich sei, aber auch mit 100 kW zum langsamen Laden in der Nacht. Die Netzabdeckung soll dann 94 Prozent betragen, die Ladebedarfsabdeckung zwei Drittel.

Noch einige offene technische Fragen

Während die Pläne feststehen, sind aber laut Lahmann einige technische Anforderungen beim Lkw-Laden noch nicht geklärt. Etwa ob das Ladekabel an den Fahrzeugen von oben oder der Seite zugeführt werde, ob die CCS-Ladebuchse sich auf der rechten oder linken Seite der Fahrzeuge befinde, und wie Trailer, speziell etwa Kühlanhänger, in Zukunft geladen werden sollen.

„Es gibt Stand heute noch keine Ja-/Nein-Entscheidung für viele Themen“, sagte Lahmann bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Deswegen und weil es gleich um eine ganze Reihe von Standorten gehe, sei die anstehende Ausschreibungen für die Stationen sehr voluminös. Bei der Planung sei zudem eine so genannte User-Journey für E-Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer erstellt worden, um sicherzugehen, dass die Anforderungen erfüllt werden. Festzuhalten sei aber, dass der Startschuss jetzt erfolge müssen.

Wichtiges Signal für das VEV-Hochlaufen der Hersteller

Denn das Signal zum Start des Ladenetzes sei auch wichtig für die Hochlaufzahlen der Hersteller, die für Skalierung der Produktion der batterieelektrischen Fahrzeuge die richtigen Rahmenbedingungen fordern, sagt Dr. Hendrik Haßheider, Leiter des Referats Klimafreundliche Nutzfahrzeuge und Infrastruktur beim BMDV. Dass das entsprechende Förderprogramm für klimaneutrale Nutzfahrzeuge nicht mehr zur Verfügung stehe, steht nicht mehr zur Debatte, laut Haßheider komme die CO2-Maut beim Thema Antriebswechsel mehr zum Tragen als jedes Förderprogramm. „Was wir als Bund beeinflussen können, ist, jetzt das initiale Netz auf den Flächen des Bundes entlang der Autobahnen aufzubauen“.

Milence baut bereits mehrere MCS-Standorte

Dass der Bund hier nicht unbedingt als Schnellboot unterwegs, machten die Aussagen von Anja van Niersen, CEO des Lade-Joint-Ventures Milence von Daimler, Volvo und Traton, klar. „Wir bauen gerade in acht Ländern gleichzeitig Standorte aus. Man kann natürlich warten, bis jemand mit einer Lösung kommt; wir sorgen lieber dafür, dass die Lösung kommt – etwa beim Thema MCS. Da bauen wir ab Oktober bereits Standorte, weil unsere Kunden darauf warten.“ Statt über MCS- und CCS-Stecker zu diskutieren, so der Vorschlag von van Niesen, sollte sich die Industrie besser auf den MCS-Stecker einigen und dann entsprechend die Stromleistung flexibel anpassen – das sei auch viel zuverlässiger als CCS.

Laut Moritz Grüters, Manager Automotive Regulatory Strategy bei Daimler Truck, sind die Diskussionen relativ: „Buchse rechts oder links - bei uns gibt es beides, denn wir wollen es dem Kunden so einfach wie möglich machen“. Grüters plädierte aber doch für MCS als Standard: „Der neue eActros 600 hat 600 kw/H an Bord, das bedingt auch eine entsprechende Ladeleistung“. Für eine effizienten Transport müsse zudem auch die Lenkzeitpause von 45 Minuten genutzt werden, dafür brauche es eine Ladeleistung im Korridor zwischen 800 und 1.000 kw.

Laut Grüter ist das Initialnetz insbesondere für den Hochlauf der BEV wichtig – dazu seien die Fahrzeughersteller durch die extremen CO2-Ziele der EU gezwungen: „Wir werden die Fahrzeuge bringen müssen“ sagte er und appellierte, „mutig in den Ausbau zu gehen – wir müssen alle jetzt ordentlich reinhauen“. Und auch für den heterogen Einsatz der Lkw sei die öffentliche Ladestruktur wichtig – „vor allem bei KMU, die ihren Lkw heute hier und morgen dort einsetzen und auf eine flächendeckende Infrastruktur angewiesen sind.“

Netzbetreiber warten auf Bestellung

Zunächst geht es aber darum, das Energienetz entsprechen vorzubereiten. „Unser Unternehmen macht gerade den größten Infrastrukturausbau seit dem zweiten Weltkrieg“, berichtete Eric Ahlers, Leiter Strategie und Gremien bei Netze BW. Dazu muss richtig geplant werden: Wie viele Ladepunkte mit wie viel Leistung in den kommenden Jahren gebraucht werden, hatte die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur für drei prototypische Lade-Hubs untersuchen lassen. Laut Ahlers ist es jetzt an der Zeit , entsprechend den Ergebnissen der Untersuchung die Netzanschlüsse für 2030 und 2035 zu bestellen.

Insbesondere auch deshalb, weil laut der Studie an hochfrequentierten Standorten spätestens ab 2035 ein Anschluss an das Hochspannungsnetz erforderlich werde. „Und gerade bei der Planung für Hochspannungsanbindung von Rastplätzen redet man beim Ausbau über mehrere Jahre bis zu zehn Jahren, bis eine Leitung genehmigt und auch gebaut wird“.

Chance auch für die Energieintrastruktur

Eine Herausforderung wird das Lkw-Ladenetz also hinsichtlich der Infrastruktur für den Verkehr, aber vor allem hinsichtlich der benötigten Leistung, die in das Energienetz einfließen muss, fasste Christoph von Knobelsdorff, CEO der NOW GmbH, zusammen. Vor dem Hintergrund des Ausbaus erneuerbaren Energie seien Stromsenken dieser Größenordnung aber auch eine Chance – in dem Fall hilft der Verkehrsbereich dann sogar dem Energiesektor

Zusammenarbeit von E.ON und MAN

Zur Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs wollen auch E.ON und MAN mit einem gemeinsamen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge in Deutschland und Europa beitragen. „Damit die Mobilitätswende gelingt, benötigen wir bis 2030 rund 50.000 Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge in Europa. Natürlich leisten wir als Hersteller von Elektro-Lkw dazu unseren Beitrag. Ich freue mich, dass wir mit E.ON nun einen starken Partner zur Elektrifizierung unserer Service-Standorte an unserer Seite haben. Damit legen wir einen weiteren Grundstein für ein öffentliches Ladenetz. Allerdings benötigen wir zu dessen großflächigem Aufbau weiterhin dringend die Unterstützung durch die Politik“, so Alexander Vlaskamp, Vorsitzender des Vorstands der MAN Truck & Bus.

Förderprogramme vereinfachen und beschleunigen

Laut MAN Truck & Bus ist ein rascher nationaler Aufbau und Ausbau der Elektrifizierungsinfrastruktur und der Netzanschlüsse für den BEV-Markthochlauf entscheidend. „Es benötigt einen konzertierten Anschub, klare Leitlinien und eine klare Perspektive. Entscheidend ist, dass die Investitionskosten in Infrastruktur und Fahrzeuge in einem Ausbauszenario von den sich ergebenden Einsparungen in den Betriebskosten getragen werden können“, so ein Sprecher des Unternehmens gegenüber trans aktuell.

Laut MAN

  • sollten Förderprogramme vereinfacht und letztendlich beschleunigt werden, etwa in Form einer einfachen Checkliste, einfach zu erfüllenden Bedingungen sowie der Möglichkeit, bereits nach Einreichung des Förderantrags vorzeitig mit den Maßnahmen zu beginnen.

  • sollte der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur an Autobahnen auf Basis des prognostizierten Fahrzeughochlaufs erfolgen; parallel dazu sollten der nationale Aufbau und Ausbau einer leistungsfähigen Energieversorgungsinfrastruktur und der Netzanschlüsse entlang des Fernstreckennetzes erfolgen. Strategische und wirtschaftliche Impulse sollten vom Gesetzgeber kommen. Netzbetreiber sollten verstärkt in die Netzplanung und Standortfindung für die Lkw-Ladeinfrastruktur einbezogen werden.

  • müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Aufbau der Ladeinfrastruktur vereinfacht und beschleunigt werden; die unterschiedlichen Landesbauordnungen der Bundesländer weisen keine klaren Definitionen und Verfahrensweisen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur auf. Auch die Kommunen müssen unterstützt werden.
  • sollte es ein digitales, für Dritte zugängliches, einsehbares Register für reale verfügbare Netzanschlüsse in der jeweiligen Region und für existierende/geplante Lkw-Ladeinfrastruktur geben, etwa bei der NOW GmbH.
  • müssen die Standardisierungsbemühungen weiter vorangetrieben werden.

Aus Sicht des Fahrzeugherstellers sind aktuell größte Herausforderung für die Charge Point Operator (CPOs) die Netzanschlüsse: „Grundlage für alle Planungsarbeiten der CPOs sind zuverlässige Daten zu den verfügbaren Netzanschlussleitungen; die Datenerhebung ist allerdings nur mit hohem bürokratischem Aufwand und in langwierigen Prozessen möglich“, so der Sprecher. Insbesondere beim Aufbau von Lkw-Lade-Hubs mit hohen Anschlussleistungen wie eTruck Rastplatzanlagen mit einem Bedarf von 25 bis 35 MW blockieren demnach die momentanen Rahmenbedingungen. Die Konsequenzen sind extreme zeitliche Verzögerungen „oder der aktuelle Trend in der Industrie, kleinere Anschlussleistungen zu beantragen, was zu entsprechend weniger Ladepunkten für eTrucks führt“.

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