Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts steht auch Lkw-Fahrern, die keinen Tarifvertrag haben, ein Nachtzuschlag zu.
Immer mehr Lkw-Fahrer sind mittlerweile nachts in getakteten Linienverkehren zwischen Depots der Logistikkonzerne oder im Netzwerk von Stückgutkooperationen unterwegs. "Es hat natürlich für uns Fahrer Vorteile, wenn wir nicht die Ladung einsammeln müssen, sondern fertig geladene und verplombte Brücken bekommen und nur noch losfahren müssen", erklärt etwa Burkhard Taggart von HSV aus Friedewald. "Es wird aber immer wieder vergessen, dass wir grundsätzlich unter einem extremen Termindruck stehen. Touren werden teilweise mit Duchschnittsgeschwindigkeiten von 75 bis 80 km/h geplant. Du sollst auf 600 Kilometer Entfernung auf die Minute genau ankommen. Wetterverhältnisse, Unfälle, Baustellen interessieren dabei nicht."
Nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen stellt dauerhafte Nachtarbeit eine erhöhte köperliche Belastung dar, selbst wenn der hartgesottene Nachtfahrer sich – meist mit viel Kaffee – daran gewöhnt hat. In vielen Tarifverträgen der Landsverbände des gewerblichen Gütervekehrs wird deshalb ein entsprechender Nachtzuschlag oder eine angemessene Anzahl von bezahlten freien freien Tagen vereinbart.
Pauschale Monatslöhne sind weit verbreitet
Doch im deutschen Transportgewerbe mit seinen maximal 20 bis 30 Prozent tarifgebundenen Frachtführern sind die meisten Fahrer mit pauschalen Monatslöhnen unterwegs. Nun hatte ein Lkw-Fahrer aus dem Raum Hamburg, der nachts zwischen 21 und 6 Uhr eben für ein nicht tarifgebundenes Distributionsunternehmen unterwegs war, geklagt. Für die regelmäßige Nachtarbeit gewährte ihm sein Arbeitgeber bereits elf Prozent Zuschlag, später dann 20 Prozent. Der Kläger forderte mehr, nämlich mindestens 30 Prozent oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen pro 90 Arbeitsstunden.
Nach der Vorinstanz, dem Landesarbeitsgericht Hamburg, hat nun das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2015 ein Urteil gesprochen, das bundesweit viele Fahrer betrifft, die regelmäßig nachts am Steuer sitzen: "Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach Paragraf 6, Abs. 5, des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag von 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn oder die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30 Prozent."
Zusatzzahlung für Nachtschicht
Interessant ist, dass viele Manteltarifverträge für Fahrer wie in Nordrhein-Westfalen Nachtarbeit in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr mit einem Zuschlag von 25 Prozent des tariflichen Stundenlohnsatzes vergütet. Und Kraftfahrer, die Fahrten in einem Umkreis von mehr als 100 Kilometer Luftlinie vom regelmäßigen Standort ausführen, erhalten statt eines prozentualen Zuschlages je Nacht, in der sie mehr als zwei Stunden Arbeitszeit hatten, fünf Euro je Nachtschicht. Gegenüber dem BAG-Urteil ist der zweite Punkt im Tarifvertrag jetzt ein finanzieller Nachteil.
Ob der Anspruch am Ende auch bei Fahrern ankommt, ist fraglich. Die Branche leidet unter dem harten Wettbewerb. Die Mehrvergütung, die dem Fahrer zustehen, muss der Frachtfüher erst Mal von seinem Kunden bekommen. Letzten Endes muss ein Fahrer, wenn sein Chef nicht zahlen will, den Zuschlag individualrechtlich einfordern. Kann er die Stunden nachweisen, wird er ihm auch zugesprochen. (AZ: 6 Sa 106/13, AZ: 10 AZR 423/14)