Der Zoll schlägt Alarm. Plagiate fluten den Markt. Das sind die Rechte und Pflichten des Spediteurs.
Die europäischen Zollbehörden haben im Jahr 2014 gefälschte Waren im Wert von 617 Millionen Euro an den Grenzen festgehalten, 89 Prozent davon aus China und Hongkong. Eine Spedition muss aber nicht schon deshalb hellhörig werden, weil sie Ware aus diesem Teil der Welt nach Deutschland transportiert. "Es ist anerkannt, dass Spediteure, Frachtführer und Lagerhalter keine generelle Prüfungspflicht auf Rechtsverletzungen der transportierten Sendung haben", sagt Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner von der Kanzlei O&W Rechtsanwälte in Hamburg.
Sobald der Transportunternehmer aber konkrete Anhaltspunkte hat, dass die Fracht gefälschte Waren enthält, muss er tätig werden und sich absichern. Denn nicht nur die Zollbehörde, sondern auch der Rechteinhaber, also das Unternehmen, das die gewerblichen Schutzrechte am Originalprodukt hält, können Ansprüche an ihn stellen.
Zoll darf auf Verdacht handeln
Der Zoll kann auf Verdacht Transporte anhalten, Ladungen inspizieren und Container öffnen. Sein Ansprechpartner vor Ort ist dabei der Frachtführer. Bis zu einer abschließenden Klärung, ob die Ladung Plagiate enthält, wird der Zollbeamte den Frachtführer auffordern, die Ware einzulagern und ein Verfügungsverbot verhängen. Am Ende dieser Beschlagnahme droht die Vernichtung der Ware, für die die Einwilligung des Frachtführers erforderlich ist.
"Spätestens mit der Zustellung einer einstweiligen Verfügung des Rechteinhabers, die auf eine Zustimmung zur Vernichtung gerichtet ist, hat der Spediteur Kenntnis von einer drohenden Rechtsverletzung", so Zollrechtler Wegner. Er muss dann schleunigst Kontakt mit seinem Auftraggeber oder dem Adressaten der Sendung aufnehmen, um Informationen zu den erhobenen Vorwürfen sowie Handlungsanweisungen zu erhalten, denn: "Missachtet der Spediteur seine Aufklärungspflichten, haftet er für die entstandenen Lager- und Vernichtungskosten."
Hans-Peter Grage, Zoll- und Compliance-Beauftragter des Osnabrücker Logistikdienstleisters Hellmann, sieht hier ein erhebliches finanzielles Risiko: "Die Summen, die in diesen Fällen geltend gemacht werden, sind extrem hoch." Der schlimmste Fall sei es, wenn das Problem erst nach der Verzollung auffalle und der Frachtführer zu diesem Zeitpunkt bereits Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer verauslagt habe. Diese muss er dann zusätzlich zu seinem Frachtlohn beim – ins Zwielicht geratenen – Kunden geltend machen.
Zwielichtige Importeure tauchen schnell ab
Das sei schwierig, meint Grage: "Bei den Importeuren handelt es sich meist um kleinere Firmen, die häufig den Traum des schnell verdienten Geldes träumen." Und womöglich sofort untertauchen, wenn kritische Nachfragen und Ansprüche aus dem eigentlich so fernen Deutschland gestellt werden. Deshalb rät Rechtsanwalt Wegner: "Sollte der Spediteur keine Rückmeldung vom Auftraggeber erhalten, muss er der Vernichtung zustimmen, damit er vom Rechteinhaber nicht auf weitere Kosten in Anspruch genommen werden kann."
Permanent ist Carmen Vetter vom Armaturenhersteller Hansgrohe aus Schiltach Fälschungen auf der Spur. "Wir schätzen, dass uns durch solche Rechtsverletzungen ein Schaden in Höhe von etwa zehn Prozent unseres Umsatzes entsteht. Bei zuletzt 874 Millionen Umsatz ist das ein ziemlich hoher Betrag", sagt die Leiterin der Schutzrechte-Abteilung des weltbekannten Unternehmens aus dem Schwarzwald.
Regelmäßige Schulungen für Zollbeamte
Entsprechend hat Hansgrohe etwa 1.000 aktive Schutzrechte in der Europäischen Union angemeldet und bei den Zoll-Portalen hinterlegt. Der Zollbeamte muss dann aufgrund dieser Informationen in kurzer Zeit entscheiden, welches Unternehmen als Rechteinhaber infrage kommt. "Ein Zollbeamter ist für die unterschiedlichsten Unternehmen und Produkte zuständig. Das können an einem Tag zuerst T-Shirts, dann Motorsägen und dann Gabelstapler sein", so die Expertin für Plagiate. "Wenn er dann auch noch einen Container mit Handbrausen vor sich hat, sind wir schon froh, wenn er an Hansgrohe denkt und uns ein Foto des Produktes schickt."
Der Armaturenhersteller zeigt Zollbeamten auch regelmäßig auf Schulungen die Erkennungsmerkmale seiner Produkte und seines häufig kopierten Designs. "Wir versenden zum Beispiel unsere Produkte niemals als Schüttware – findet ein Zollbeamter also 100 lose Handbrausen in einer Box, kann das schon ein Indiz für eine Fälschung sein."
Versicherungen decken die Risiken einer Grenzbeschlagnahme grundsätzlich nicht ab. "Der Spediteur sollte sich daher schon im Vertrag das Recht vorbehalten, im Falle einer Beschlagnahme hierauf hinzuweisen und anschließend einer Vernichtung zuzustimmen", sagt Anwalt Wegner. Nur so könne er Ansprüche seines Auftraggebers wegen der vernichteten Ware vermeiden.